Kann die Chillventa 2024 den Markt retten?
Heizungsindustrie im Chaos

Während der Wärmepumpen-Markt um 52 Prozent einbricht, erlebt der Ölkessel ein überraschendes Comeback mit einem Plus von 24 Prozent. Die Branche steht vor großen Herausforderungen. Wird die Chillventa 2024 der Wendepunkt sein? Die Nürnberger Messe will im Oktober der Wärmepumpe eine attraktive Bühne bieten.

Wir haben hohe Strompreise, manche komischen Vorschriften und Robert Habeck. Alles zusammen ist ein toxischer Mix, der die Heizungsindustrie vor große Herausforderungen stellt. Industrie, Vertrieb, ausführende Handwerksbetriebe und nicht zuletzt Hauseigentümer haben mit den Konsequenzen zu kämpfen. Die Verunsicherung ist groß. Doch es gibt einen Lichtblick. Es scheint, Wärmepumpen haben sich vom politischen Klammergriff erholt und werden wieder ernsthaft und mit Sachverstand diskutiert.

Ein Indiz dafür ist, dass sich während der Chillventa 2024 allein 30 der 120 Fachforen mit dem Thema Wärmepumpe beschäftigen. Insgesamt scheint die Nürnberger Leitmesse für Kälte und Lüftung ein wichtiger Impulsgeber zu werden. Das Thema Wärmepumpe wurde von außen an den Messeveranstalter herangetragen. Der Markt wird es also richten, nicht politische Vorgaben. Fakt ist auch: der Nachholbedarf an Informationen ist groß.

Štěpán Stojanov, Generalsekretär der SCHKT Association of Refrigeration and Air Conditioning and Heat Pumps I Bild: © Arnulf Hettrich / Fnoxx

Interessant dabei ist ein Blick über die Landesgrenzen. Auch in Tschechien wurde ein anfänglicher Boom an Verkäufen eingebremst. Unter anderem durch falsche Installationen, die am Image der Wärmepumpen rüttelten, sagt Štěpán Stojanov, Generalsekretär der SCHKT Association of Refrigeration and Air Conditioning and Heat Pumps. Dazu kommen hohe Preise für Elektrizität und negative Berichterstattung, oft getrieben von falschen Installationen.

Um ihre internationale Ausrichtung zu unterstreichen, präsentierte die Chillventa ihre aktuellen Zahlen nicht am Standort Nürnberg, sondern in der Hauptstadt der Tschechischen Republik. Vor internationalen Fachjournalisten, die bis aus Japan, Finnland oder Spanien angereist waren, stellten die Messeverantwortlichen das Programm der diesjährigen Chillventa vor. Vom 8. bis 10. Oktober 2024 dreht sich auf dem Nürnberger Messegelände alles um die Themen Kälte, Klima, Lüftung und Wärmepumpen. Begleitet wird die Messe von einem umfangreichen Rahmenprogramm und Foren, die in diesem Jahr die Themenbereiche Wärmepumpe, Kühlmittel und Digitalisierung in den Mittelpunkt rücken.

Wärmepumpen sind also Topthema der diesjährigen Leitmesse. Trotz der etwas abebbenden Stimmung ist Tschechien eines jener Länder, denen Dr. Rainer M. Jakobs bescheinigt, es besser gemacht zu haben. 2022 wurden pro 1000 Privathaushalte 12,9 Wärmepumpen eingebaut. In Deutschland waren es gerade mal 6,72. Jakobs verantwortet als Messebeirat das Kongressprogramm der Chillventa. Spitzenwerte bei Neuinstallationen von Wärmepumpen erzielen skandinavische Länder wie Schweden (39,34), Norwegen (59,87) und Finnland (69,36). Unter den 21 aufgelisteten europäischen Ländern tragen Deutschland, UK und Ungarn die rote Laterne.

Dabei waren die Erwartungen enorm, die durch die Kampagne der Bundesregierung geweckt worden waren. Die prognostizierten Zuwächse waren vielversprechend, im Jahr 2024 sollten 500.000 neue Anlagen installiert werden, Tendenz steigend. Bis 2030 sollten sechs Millionen neue Anlagen installiert sein, massiv unterstützt durch finanzielle Förderung auf der einen Seite sowie Restriktionen beim Einbau konventioneller Heizsysteme auf fossiler Basis. Hersteller und Komponentenfertiger investierten hunderte von Millionen Euro in neue Werke, weil sie an das vermeintliche Wirtschaftswunder glaubten.

Seit dem Paradigmenwechsel der Berliner Regierung steht konventionelle Heiztechnik vor einer ungewissen Zukunft. Mit dem Verkauf an den US-Konkurrenten Carrier Global konnte Viessmann nochmals kräftig Reibach machen auch mit den Verbrennern. Der Verkauf des deutschen Wärmepumpen-Marktführers während der angestrebten Heizwende hatte im April 2023 politisches Aufsehen erregt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bewertete die Transaktion schließlich als unbedenklich, und auch die EU-Kommission winkte das Geschäft durch.

Insgesamt hat die Industrie viel investiert in Produktion und Forschung. „Die haben alle was getan und alle was auf die Reihe gekriegt. Darauf kann man stolz sein“, bescheinigt Dr. Rainer Jacobs den Herstellern. Die Produktion sei zwei Mal um 50 Prozent gesteigert, der Auftrag der Politik umgesetzt worden.

Doch von lukrativen Geschäften ist die Heizungsindustrie derzeit so weit entfernt wie kaum zuvor, der Markt ist eingebrochen. „Chaos“, sagt Jacobs, „nur der Ölkessel ist wieder im Plus“. Er legte, allerdings ausgehend von schwachen Vorjahreszahlen, im ersten Quartal 2024 um 24 Prozent zu, während sich der Wärmepumpen-Markt mit 46.000 installierten Einheiten und einem Minus von 52 Prozent halbiert hat. Wärmepumpen dominieren zwar den Neubau, der aber liegt derzeit angesichts hoher Baupreise und hoher Zinsen am Boden. Potenzial wird im Bereich Gewerbe und Industrie gesehen, auch Fernwärme ist ein interessantes Geschäftsfeld für die Hersteller von Wärmepumpen.

Dr. Rainer Jakobs I Bild: © Arnulf Hettrich / Fnoxx

Eine starke Eintrittsbarriere auch im Bestandsmarkt sind günstige Preise für fossile Energieträger, denen hohe Elektrizitätspreise entgegenstehen. Aber auch das Handwerk zieht nicht immer mit, sagt Jakobs. Viele Betriebe seien überaltert, eine Nachfolge unsicher. Angesichts dieser Umstände scheue sich mancher Betrieb, sich in neue Betätigungsfelder einzuarbeiten. Es sei ein „Riesenproblem“, dass Heizungsbauer bei der Installation ihr Wissen aus dem Bereich Heizungskessel nur allzu oft eins zu eins übertrügen. Er sprach auch von „Wissensmangel“, den abzustellen die Chillventa 2024 bestrebt ist.

Einen erweiterten Blick auf den gesamteuropäischen Markt warf während der Chillventa-Pressekonferenz Dr. Thomas Fleckl vom AIT, dem Austrian Institute of Technology GmbH. Wenig überraschend, dass er skandinavische Länder als Front-Runner hervorhob. Sie seien in ihren Entscheidungen klarer und mutiger gewesen und hätten auf das richtige Pferd gesetzt. Damit räumten sie auch mit dem Mythos auf, dass Wärmepumpen in kalten Ländern nicht funktionierten. Für 2024 liegen dem Head of Competence Unit Sustainable Thermal Energy Systems am AIT zwar noch keine Zahlen vor. Die Nachfrage aber sei weiter rückläufig. „2024 ist kein gutes Jahr“, sagt Fleckl. „Wenn die Energiepreise zu günstig sind, hat die Wärmepumpe keine Chance.“
(tic)




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