Auf der Serviceplattform anwalt.de ploppt plötzlich eine Streitschrift auf. In akribischer Kleinteiligkeit wird in dem Beitrag von einem offenbar branchenaffinen Anwalt die „lebensgefährliche“ Pelletheizung in Bausch und Bogen verurteilt.
Lupenreiner Lobbyismus oder ist an den Behauptungen von Rechtsanwalt Stefan Musiol was dran? SHKTacheles hat dazu mit dem Verfasser selbst gesprochen und auch mit überzeugten Vertretern der von ihm angezählten Pelletindustrie, unter anderem mit Helmut Schellinger, Vorsitzender des DEPV (Deutscher Energieholz- und Pellet-Verband e.V.) und Geschäftsführer der Schellinger KG in Weingarten.
Musiol spart in seinem Artikel zu den Lebensgefahren des Pelletheizens nicht an Anklagepunkten. Es scheint hier offensichtlich um die hinterfragte Alternativwürdigkeit zur Wärmepumpe zu gehen, wie bereits seiner Headline zu entnehmen ist. Anlass zur Veröffentlichung soll dabei vor allem eine steigende Anzahl von Beschwerden und Unterlassungsklagen gegen Betreiber dieser Heizsysteme – aufgrund von Emissionen ohne Abgasreinigung – gewesen sein. Von gesundheitlichen Schäden durch Feinstaubexposition, massiver Waldzerstörung, Verringerung der CO2-Bindungsfähigkeit der Natur bis hin zum tödlichen Risiko von Kohlenmonoxid-Vergiftungen und Bränden ist hier die Rede.
Musiol stellt die unterlassenen Hinweise dieser schwerwiegenden Gefahren und Folgen in Werbung und entsprechenden Angeboten als einen „gigantischen Skandal“ dar. Er sieht darin einen verantwortungslosen Rechtsverstoß gegen den lauteren Wettbewerb und macht gleichzeitig Pellets als „klimaschädlichste Heiztechnik“ aus, für die nicht einmal eine CO2-Abgabe anfalle. Während für deren Herstellung „Millionen Tonnen Wälder in Osteuropa geschädigt und mit Kahlschlägen nur für Verbrennung in Kraftwerken und Pelletheizungen zerstört“ würden, heize man die Klimakatastrophe zusätzlich mit einem dreifachen Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu Gasheizungen maximal an.
Außerdem bezichtigt Musiol die Holz- und Pelletindustrie der „Sofortvernichtung wertvollen Baurohstoffs“: Aus Sägespänen ließen sich nützliche Produkte für eine sehr lange Nutzungskaskade herstellen – was sinnvoller wäre als Pellets energieintensiv zu produzieren, um sie danach gleich wieder zu verfeuern. Der Verfasser bezieht sich in seinem Beitrag auf die stark wachsende Zahl betriebener Pelletheizungen in Deutschland, die das statistische Bundesamt mit 722.000 für 2023 ausweist und für 2024 auf insgesamt 763.000 schätzt, so Musiol.
Besonders „kriminell“ sei, dass trotz des hohen Schadstoffausstoßes, insbesondere Stickoxid, bei fehlender Schadstoffreinigung auch die verfügbaren Feinstaubabscheider und Katalysatoren nicht vorgeschrieben seien. Insgesamt handele es sich beim Thema Pelletheizung um „regierungsgestützten Irrsinn und eine grandiose Werbelüge“, so Musiol gegenüber diesem Nachrichtendienst. Gesetzgeber und Holzlobby wirft er „nur mit Korruption mögliche Täuschung“ vor. Dahinter stünde reines Gewinninteresse, indem man sich den menschlichen „Hang zur Pyromanie“ zunutze mache.
Alexander Schuh, Leitung Verbandsmanagement der Vaillant Group, von der Redaktion zu Musiols steilen Thesen befragt: „So lange das Umweltbundesamt nicht aktiv wird und wir das Ganze auch noch fördern, sehe ich dort keine Katastrophe auf uns zukommen.“ Schuh verweist auf einen bereits vor 20 Jahren veröffentlichten Monitor-Bericht zum selben Thema, nämlich Schädlichkeit der Abgase und Pelletstäube. Schon damals allerdings mit fatalen Folgen: „der Pelletverkauf sank danach um 50%, im ersten Quartal 2024 sogar um 86%“, so der Verbandschef auf Nachfrage. Schuh vermute hinter dem Anwaltsbeitrag eher ein bewusstes Schüren von Ängsten zu eigenen Zwecken.
Nicht weiter dazu äußern wollte sich indes Frederic Leers, Leiter Kommunikation des BDH (Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie) außer „Wir teilen das nicht und weisen das Vorgetragene von uns. Es gibt gute Gründe, die für die Holzindustrie sprechen“. Interessante Randnotiz an dieser Stelle: Laut jüngster Pressemitteilung vom 3. Mai 2024 ist der BDH tags zuvor als erster Kooperationspartner dem Pakt Holzenergie Bayern beigetreten. Ziel des Bündnisses sei die Stärkung der modernen Holzenergie und somit das Vorantreiben der Wärmewende, bei der holzbasierte Heizungssysteme wie Pelletheizungen ein Teil des technischen Lösungskanons zur CO2-Reduktion seien, wie BDH-Hauptgeschäftsführer Markus Staudt hier ausführt.
Präziser positionierte sich derweil Helmut Schellinger, Vorsitzender des DEPV und Geschäftsführer der Schellinger KG, mit dem die Redaktion ein ausführliches Gespräch über den strittigen Beitrag führte. Die Widerstände gegen die Bioenergie seien nicht neu, so Schellinger. Seit knapp zwei Jahren gäbe es eine Phalanx von Holzenergie-Gegnern ursprünglich aus den USA später auch in Europa, die mit Falschbehauptungen und über mediale Angriffe vergeblich Breitseiten gegen Holz als nicht regenerative Energiequelle austeile. Selbst der NABU und Greenpeace säßen da mit im Boot, meint der Holzstäbchen-Experte aus Weingarten. Musiols aktuelle Abhandlung sei vor diesem Hintergrund dabei besonders unsachlich in der Darstellung.
Mediale Nutznießer und dahinterliegende Interessenvertretungen, sagt Schellinger, schreckten selbst vor Verschwörungstheorien nicht zurück und hätten in der Vergangenheit schon dreistellige Millionenbeträge in Kampagnen gegen die Bio- und Holzenergie versenkt. Dabei seien Holzabfälle eine CO2-schonende Ressource, die man vor der Kulisse des Klimawandels und der damit verbundenen Einsparverpflichtungen nicht ungenutzt lassen dürfe, weil als Beitrag jeder Strohhalm ergriffen werden müsse. Die von Musiol massiv angeprangerte Feinstaubemission durch Pelletheizungen sei faktisch falsch. Vielmehr seien 97% des jährlichen Gesamtausstoßes Scheitholzöfen sowie deren ungeregelter Verbrennung zuzuschreiben und nur 3% Pelletöfen.
Die im Gebäudeenergiebereich mit 20% veranschlagten regenerativen Energien bestünden zu 16% aus Holzenergie, während sich die restlichen 4% aus Geothermie u.a. zusammensetzten. Der Wald sei beim Klimaschutz demnach ein entsprechend bedeutender Faktor und die Förderung der Pelletheizung mache nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich Sinn, erklärt Schellinger. Was darüberhinaus wichtig, aber wenig bekannt sei, dass nämlich der Wald als CO2-Speicher langfristig nur durch gezielte Behandlung (Abbau und Neuaufforstung) gesund erhalten werden könne, so Schellinger weiter. Seriösen Studien und entsprechenden Prognosen zufolge müsse der Wald tatsächlich aktiv umgebaut werden, damit er auch die nächsten 30 Jahre rund 60 Mio. Tonnen Netto-CO2-Entnahme jährlich aus der Atmosphäre gewährleiste.
Als abschließende Quintessenz darf vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass auf hart umkämpften und medial gesteuerten Märkten wohl immer eine Sau durchs Dorf getrieben werden muss. Ein andermal wird die Klinge an der Wärmepumpe, mal an der Gasheizung, mal an der Brennstoffzelle gewetzt. Heißt, dass natürlich auch im hier besprochenen Beitrag die kritischen Behauptungen durchaus ihre Berechtigung haben können.
(Stefanie Luy)