(Update) Oventrop schockiert mit Kündigungskrimi"Mitarbeitende wurden wie Verbrecher abgeführt"
Zeitenwende im beschaulichen Sauerland. Spätestens seit dem 6. Dezember ist es aus mit der vorweihnachtlichen Seelenruhe in Brilon und Olsberg. Beim sauerländischen Familienunternehmen Oventrop scheint sich am Nikolaustag Unglaubliches zugetragen zu haben.
Eiseskälte ist um diese Jahreszeit im Sauerland wirklich nichts Besonderes. Auf dem Werksgelände von Oventrop muss es jetzt aber einen zusätzlichen Temperatursturz der besonderen Art gegeben haben. Und zwar für mindestens 21 Mitarbeitende des Unternehmens, denen das Blut in den Adern gefroren sein durfte. Grund dafür ist ein offenbar schonungsloser Kündigungskrimi vonseiten der Geschäftsleitung, der sich dem ersten Vernehmen nach durchaus als Schocker mit großem Tamtam darstellt. Es ist von Personen die Rede, die an den Standorten Brilon und am Stammsitz Olsberg „wie Verbrecher abgeführt worden seien“ und von einem skrupellosen Showdown, der geltendes Recht unterlaufe, so der bestürzte Betriebsrat. Die IG-Metall bezichtigt die verantwortliche Chefetage sogar der „Psychospielchen“.
Und das alles bei einem bis dato eher konservativen und öffentlichkeitsscheuen Vertreter seiner Art. Was bitte ist da im Sauerland passiert? Vielleicht hausgemachter Lärm auf der Führungsetage? Schließlich wurden in der Oventrop-Geschäftsleitung im Laufe des Jahres gleich mehrere Staffelstäbe weitergereicht. So bezog zum 1. Januar 2023 Gabi Wilwers in Nachfolge von Jochen Fähnrich ihre neue Geschäftsführungsposition neben Johannes Rump als Geschäftsführendem Gesellschafter. Zum 1. April rückten dann noch Klaus Frese und Michael Scheller in die Leitungsebene auf. Als Ersatz für den in Ruhestand tretenden Bernhard Schaub, der sich im Unternehmen scheinbar als geschätzter Veteran über viele Jahrzehnte einen Namen gemacht hatte. Und auch der langjährige Technische Leiter Manfred Quirmbach wird Teil des Führungsquintetts. Im Ergebnis also quasi eine ganz neue Managing Crew. Möglicherweise zu viel Aufbruch in zu kurzer Zeit?
SHKTacheles hat bei den beteiligten Parteien mal nachgehakt. Aus Sicht des Oventrop-Betriebsratsvorsitzenden Wolfgang Geilen handelt es sich bei der Kündigungsmaßnahme am Nikolaustag eindeutig um eine Grenzüberschreitung: „Wir stellen ausdrücklich klar, dass wir grundsätzlich und selbstverständlich niemals wirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen und damit verbundenen Stellenabbau blockieren würden. Solange die Regularien eingehalten und nachvollziehbare Gründe dafür vorgebracht werden. Bei dem genannten Vorfall wurden die geltenden Rechte von Betriebsrat und Belegschaft aber auf nicht nachvollziehbare und beispiellose Weise mit Füßen getreten“, so Geilen auf Nachfrage der Redaktion.
Man habe im Vorfeld bereits drei Wochen mit der Unternehmensführung verhandelt, sogar Freiwilligenlisten angeboten, die im Endeffekt aber wohl ignoriert wurden. Es hätte für einen geregelten Ablauf zudem an Zeit gefehlt, bevor man in einer nach außen hin willkürlichen Auswahl teilweise völlig unvorbereitet, Mitarbeitende aus Qualitätsabteilungen und diversen Messräumen „abgeführt“ habe. Geilen berichtet gegenüber SHKTacheles, manche Mitarbeitende hätten morgens ihren Account nicht mehr hochfahren können und seien dann durch Abteilungsleiter von ihren Arbeitsplätzen „entfernt“ worden. Man habe den Betroffenen das Vorgehen unter Zeugen wohl wiederholt damit erklärt, sie sollten „zur Erholung“ nach Hause geschickt werden. Man wolle Wogen glätten und wieder Ruhe herstellen. Es habe sich bei den Gekündigten nicht nur um Angestellte, sondern auch um Gewerbliche gehandelt. „Bislang leugnet die Unternehmensleitung die Fakten zu dem Vorgang. Keine Frage, dass man hier ein Exempel statuieren wolle“, so Geilen weiter.
Auch bei Helmut Kreutzmann, Chef der IG-Metall Olsberg löst die Aktion blankes Entsetzen aus: „Die unwürdige Art und Weise, wie da mit Menschen umgegangen wird, ist ein Novum in der Region und macht mich total sprachlos“. Das so noch nie dagewesene Vorgehen hätte nichts mit einem sozialverträglichen und geordneten Prozess zu tun, zu dem man als IG-Metall bei Notwendigkeit generell immer bereit sei. Konstruiert wirkt auf Kreutzmann vor allem auch die offizielle Auslegung aus Teilen der Unternehmensleitung, man habe aus Fürsorge gegenüber den Beschäftigten gehandelt, wie es Geschäftsführerin Wilwers angeblich gegenüber Kreutzmann im Nachgang dargestellt haben soll. Man wolle es von oben aus offenbar als eine Schutzmaßnahme der – infolge des schon länger diskutierten Stellenabbaus – psychisch belasteten Mitarbeitenden verstanden wissen, so der IG-Metallchef. Wegen des übereilten Vorgehens hätte es zum sonst durchaus üblichen Angebot eines alternativen Aufhebungsvertrages gar nicht mehr kommen können. Stattdessen habe man es vorgezogen, den ausgewählten Mitarbeitern in einer Hauruckaktion ihre Stempelkarten zu entwenden und ihre Accounts zu blockieren. Zur möglichen Motivation der Geschäftsleitung befragt, herrscht bei Kreutzmann absolutes Rätselraten, auch die Auswahl der Betroffenen würde wohl ihr Geheimnis bleiben. Plausibel erklärt habe sich jedenfalls bis heute noch niemand. Der Schock sitze tief, besonders bei den direkt Leidtragenden.
Erwartungsgemäß klingt die Version aus Unternehmenssicht deutlich anders. Der aktuelle Stellenabbau stünde in keinem Zusammenhang mit der für nächstes Jahr geplanten und intern bereits im September kommunizierten Umstrukturierung, laut Darstellung des Unternehmenssprechers Dr. Christian Rohrlack gegenüber dieser Redaktion. Dieser sei vielmehr ein kurzfristiges Reagieren auf konjunkturelle Rahmenbedingungen im Baugewerbe, man sei bei entsprechendem Auftragsrückgang gezwungen, Kosten einzusparen und Prozesse bei diversen Verwaltungstätigkeiten zu optimieren: Maßnahmen, die man in die Hand von Agenturen und Dienstleistern gelegt habe. Man verstehe die öffentliche Darstellung der Vorgänge um den 6. Dezember nicht und sehe darin vor allem eine „Reputationsschädigung“ von Gewerkschaftsseite. Hier seien Grenzen überschritten worden, so formuliert es Rohrlack. Nach den Ausführungen des Unternehmenssprechers habe man im aktuellen Fall den Betroffenen noch keine Kündigungen ausgesprochen, vielmehr wolle man mit den besagten Mitarbeitern unter vollen Bezügen im Weiteren Einzelgespräche führen und darin individuelle Lösungen ausgestalten.
Oventrop ist ein Familienunternehmen mit langjähriger Historie und liefert als Spezialist für Energieeffizienz, Raumklimaoptimierung und Trinkwasserqualität die passenden Produkte und Systeme. Ein Traditionalist, der über zusätzliche Produktionsstätten in Polen und China verfügt und weltweit in über 80 Ländern aktiv ist. Für Mitte 2024 plant Oventrop eine „Restrukturierung“, bei der es im Zuge einer Produktionsoptimierung laut Rohrlack vor allem um eine Segmentverlagerung nach Polen ginge. Eine Maßnahme, von der 175 Beschäftigte aus der Produktion betroffen seien.
(Stefanie Luy)